Interviews mit Wohnmobilherstellern Zeitungsinterview

Patrick Guilloux, Pilote

Französische Geschichte – europäische Vision

Interview mit Patrick Guilloux, CEO der französischen Groupe Pilote. Die Pilote-Gruppe ist ein Hersteller von Freizeitfahrzeugen mit den Marken Pilote, Bavaria, Mooveo, Joa Camp, Hanroad, Le Voyageur, Frankia und Yucon.

Text Antonio Mazzucchelli

Von einem Unternehmen, das historisch auf den französischen Markt ausgerichtet war, zu einer Gruppe mit einer klaren europäischen Vision: Pilote wird 60 Jahre alt und konzentriert sich als Vollsortimenter auf ein komplettes Angebot, das alle Marktsegmente abdeckt und mit allen großen Akteuren in Europa konkurriert. Camper Professional hat Patrick Guilloux interviewt, der seit 2018 CEO der Pilote-Gruppe ist. Guilloux kehrte aus den Vereinigten Staaten zurück, wo er mehrere Jahre als Leiter von Bénéteau US tätig war,. Zuvor war er bei Solectron-Flextronics und der Gruppe Valeo Industrial tätig

Camper Professional: Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Geschichte von Pilote und seinen Meilensteinen geben?

Patrick Guilloux: In diesem Jahr feiern wir das 60-jährige Bestehen der Pilote-Gruppe. Sie wurde 1962 südlich von Nantes in Frankreich von André Padiou gegründet. Einige Jahre später trat sein Bruder Philippe in das Familienunternehmen ein. War Pilote zunächst für seine Wohnwagen bekannt, so war die Pilote-Gruppe Ende der 1970er Jahre eines der ersten Unternehmen, das in Europa Wohnmobile herstellte. Schnell konzentrierte sich das Unternehmen auf Wohnmobile und wurde in den 1980er Jahren sogar zum europäischen Marktführer. Im Jahr 1990 kam die deutsche High-End-Marke Frankia zu Pilote. Einige Jahre später setzte Pilote seine Entwicklung im oberen Segment fort, indem es die Marke Le Voyageur erwarb, den unbestrittenen Marktführer in Frankreich. In den letzten Jahren hat sich die Pilote-Gruppe durch umfangreiche Investitionen am Standort Angers zu einem der führenden Anbieter im Wohnmobilbreich entwickelt. Heute ist die Pilote Gruppe eine der wenigen Gruppen, die alle Wohnmobilsegmente abdeckt, vom Campingbus und Van bis zum Fünf-Tonnen-Fahrzeug. Also vom Einsteigermodell mit unserer neuen Marke Joa Camp bis zu Liner Modellen im High-End-Bereich.

Camper Professional: Wie ist Pilote heute strukturiert?

Patrick Guilloux: Die Pilote-Gruppe verfügt derzeit über drei Produktionsstandorte – zwei in Frankreich und einen in Deutschland. Der historische Standort, der auch unser Hauptsitz ist, befindet sich südlich von Nantes. Wir stellen dort Teilintegrierte und Alkovenfahrzeuge der Einstiegs- und Mittelklasse her. Der zweite französische Standort ist in Angers, wo hochwertige Le Voyageur vollintegrierten Liner sowie Einstiegs- und Mittelklasse-Wohnmobile hergestellt werden. Dort befindet sich auch unser neues Möbelbauzentrum. Schließlich haben wir einen Standort in Deutschland, nämlich Frankia in der Nähe von Nürnberg. An allen drei Standorten wurden jetzt erhebliche Investitionen zur Modernisierung und Kapazitätausweitung getätigt. Insgesamt arbeiten mehr als 1.000 Menschen für die Pilote-Gruppe, die mehr als 7.000 Fahrzeugen pro Jahr produzieren.

Camper Professional: Was waren die wichtigsten Veränderungen in der Produktion?

Patrick Guilloux: Die wichtigsten Veränderungen bestehen darin, dass wir nicht mehr die gleichen Fahrzeuge herstellen und größere Mengen produzieren. So sind zum Beispiel zu den Teilintegrierten und den integrierten Modellen, die immer besser ausgestattet sind, auch Campervans hinzugekommen. Neben den Vans hat sich der Anteil vom Voll- und Teilintegrierten in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Die Werkstätten für Möbel und Verkleidungen sind hoch automatisiert, aber die Endmontage erfordert immer noch viel Handarbeit. Die Pilote-Gruppe setzt sich zum Wohl der Mitarbeiter*innen für die Automatisierung dieser manuellen Montagearbeiten ein. Das wird durch eine optimierte Organisation, Unterstützung bei der Produktion und ein Qualitätssystem erreicht, um die Produkte besser und gleichzeitig effizienter herzustellen und flexibler auf die den Markt reagieren zu können. Darüber hinaus arbeiten wir an einem attraktiven Image des Konzerns, um die besten Mitarbeiter zu gewinnen.

Camper Professional: Sind irgendwelche Umstrukturierungen geplant? Welche Investitionen wurden bereits getätigt?

Patrick Guilloux: Die Gruppe befindet sich in einem ständigen Wandel und jeder Produktionsstandort wurde in den letzten zwei Jahren stark modernisiert. So werden am Standort Angers heute dreimal mehr Fahrzeuge produziert als noch vor drei Jahren. Auch am Stammsitz in Nantes wurde die Kapazität erheblich erweitert. Neben den großen finanziellen Investitionen zur Kapazitätserweiterung hat die Gruppe auch stark in Menschen investiert, indem sie bei Bedarf spezielle Fachleute einstellt, welch die Effizienz in Produktion und Verwaltung deutlich steigern.

Camper Professional: Wie sieht die aktuelle Unternehmensstruktur der Pilote-Gruppe aus?

Patrick Guilloux: Die Pilote-Gruppe baut derzeit auf zwei Säulen auf. Der französische Bereich verwaltet die Produktion in Frankreich mit den Marken Pilote, Bavaria, Mooveo, Joa Camp, Hanroad und Le Voyageur. Der zweite Bereich verwaltet die deutsche Produktion und die Marken Frankia und Yucon. Obwohl diese beiden Unternehmen seit langem unabhängig voneinander geführt werden, verstärken wir die Synergien zwischen Beiden. So wird die Vermarktung der Marke Pilote in Deutschland von deutschen Teams durchgeführt.

Camper Professional: Auf welche Arten von Produkten konzentrieren Sie sich?

Patrick Guilloux: Wie ich bereits erwähnt habe, stellt die Pilote-Gruppe eine breite Produktpalette her, die von Campervans bis hin zu großen vollintegrierten Reisemobilen reicht. Wir wollen eine solche Vielfalt im Angebot zu haben, denn so können wir allen Bedürfnissen unserer Händler und vor allem den Wünschen unserer Kunden gerecht werden. Obwohl wir traditionell ein Hersteller von teil- und vollintegrierten Reisemobilen sind, entwickelt sich unser Produktmix mehr in Richtung der europäischen Markttrends. Nichtsdestotrotz bemühen wir uns, in jedem der Segmente so effizient wie möglich zu sein, wie das Beispiel Frankia mit seinem Wachstumskurs beweist.

Camper Professional: Wie haben Sie auf das Wachstum des Van-Segments reagiert?

Patrick Guilloux: 2015 waren wir einer der Vorreiter in diesem Bereich, als wir das Unternehmen CSA Gérard kauften, das in der Nähe von Nantes Kastenwagen ausbaut. Dieses Unternehmen, das heute unter der Marke Hanroad firmiert, baut seit 1979 den Renault Trafic unter dem Namen Mobispace aus und genießt bei den Kunden einen hervorragenden Ruf. Dieses Produkt unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen. Wir haben die Produktion auf Industriestandard gebracht, um die Fahrzeuge in großem Umfang unter verschiedenen Marken zu vermarkten. Um diesen Prozess zu beschleunigen, konzentrieren wir uns dort auf ein einziges Basisfahrzeug, den Renault. Bei den Vans handelt es sich um ein Fahrzeug-Segment mit großem Potenzial, aber angesichts der jüngsten Investitionen von Trigano oder der Hymer-Gruppe scheinen wir nicht die einzigen zu sein, die diese Beobachtung gemacht haben!

Camper Professional: Wird das Segment der Vans den großen Marktanteil, den es erobert hat, auf Dauer halten können?

Patrick Guilloux: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Kunden, die zum ersten Mal ein Wohnmobil kaufen, entscheiden sich sehr oft für die Kompaktheit eines Vans. Aber wenn ein neues Fahrzeug ansteht, wollen sie dann ein größeres und komfortableres Fahrzeug kaufen? Das ist die Herausforderung für unsere Branche, denn wir, Hersteller und Händler, müssen ständig vorausschauend handeln. Wir sehen an der starken Entwicklung der Vans, dass alle Player in diesem Bereich Marken versuchen, diese neue Kundschaft zu erobern, zu halten und sie zur nächste größeren Fahrzeuggattung „upzudaten“, wo der Mehrwert für den Hersteller stärker ist.

Camper Professional: Welches sind die Hauptmärkte von Pilote?

Patrick Guilloux: Unser Hauptmarkt ist nach wie vor Frankreich, wo wir etwa 50 % unserer Produktion absetzen. Dieser Anteil sinkt jedoch jedes Jahr aufgrund der Entwicklung unserer Exporte, insbesondere nach Deutschland. Wir haben unsere Vertriebsstrategie in Deutschland radikal und erfolgreich geändert. Außerdem sind wir traditionell stark in Skandinavien, wo die Produktqualität immer noch ein Hauptkriterium ist. Aber es gibt viele Märkte mit kleinem Marktanteil, so dass wir ein echtes Wachstumspotenzial haben.

Camper Professional: Welche Probleme hat die Pandemie für die Pilote-Gruppe mit sich gebracht?

Patrick Guilloux: Das Hauptproblem ist die ständige Unsicherheit. Zunächst ging es um den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Produktion und die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft. Dann ging es um die Frage, ob Messen und andere kommerzielle Veranstaltungen stattfinden sollen oder nicht, da sie für eine Gruppe wie Pilote wirtschaftlich wichtig sind. Im vergangenen Jahr herrschte natürlich Ungewissheit bei der Lieferung von Fahrgestellen und generell von Material für die Herstellung unserer Fahrzeuge. Zum Glück bleibt die Nachfrage bisher sehr stark gewesen.

Camper Professional: Wie sieht es mit der Beschaffung von Materialien und Komponenten aus? Was bereitet die größten Sorgen?

Patrick Guilloux: Unsere Lieferanten sagen uns seit zwei Jahren, dass es in der nächsten Saison besser werden wird. Seit zwei Jah ren ist die nächste Saison schlechter als die vorherige. Was uns also am meisten Sorgen macht, ist die nächste Saison! Wir haben immer noch starke Beeinträchtigungen in den Lieferketten und nichts deutet darauf hin, dass sich diese Situation kurzfristig ändern kann. Es ist anstrengend für die Logistik-, Handels-, Verwaltungs- und Produktionsteams. Dennoch zeigen alle eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit und organisieren den Umgang mit diesen schwierigen Umständen mit Professionalität.

Camper Professional: Wie gehen Sie mit dem Problem um, dass es schwierig ist, in kurzer Zeit Basisfahrzeuge zu beschaffen? Auf welche Lieferanten werden Sie sich in naher Zukunft konzentrieren?

Patrick Guilloux: Historisch gesehen haben wir sehr starke Partnerschaften mit den Gruppen Stellantis, Mercedes und Renault für jedes der Segmente, die wir bedienen. Es wäre ein einfacher Reflex, den Lieferanten zu wechseln, weil er unsere Anforderungen nicht erfüllt, aber wir bauen heute und morgen auf solide Partnerschaften.

Camper Professional: Welche Probleme wird der Russland-Ukraine-Konflikt für den Wohnmobilsektor mit sich bringen?

Patrick Guilloux: Die kurzfristigen Aus wirkungen in unserem Bereich gering. Das eigentliche Problem ist die Beschleunigung der Inflation, die die Entwicklung der Märkte beeinträchtigen könnte. Wir konzentrieren uns auf die möglichen zukünftigen Auswirkungen und werden in der Lage sein, uns anzupassen, wenn es nötig ist. Die Pilot Gruppe ist natürlich solidarisch und steht angesichts dieser menschlichen Tragödie voll und ganz hinter den Ukrainern.