Interviews mit Wohnmobilherstellern Zeitungsinterview

McKay Featherstone, Thor Industries

THOR Industries strebt nach weltweiter Innovationsführerschaft bei Wohnmobilen

Das 1980 gegründete Unternehmen THOR Industries Inc. hat sich schnell zum weltweit größten Hersteller von Freizeitfahrzeugen entwickelt. Das Unternehmen besitzt Marken in Nordamerika und Europa mit 400 Produktionsstandorten in sechs Ländern. Wir sprachen mit McKay Featherstone, Senior Vice-President of Global Innovation bei THOR Industries.

Text: Terry Owen

Bevor er als Senior Vice-President of Global Innovation zu THOR Industries kam, war McKay Featherstone Vice-President of Product Development and Engineering bei Airstream, einem der operativen Unternehmen von THOR. Während seiner Tätigkeit dort war er federführend an der Entwicklung des ersten „Smart RV“ des Unternehmens beteiligt, das vernetzte Fahrzeug- und Internet of Things (IoT)-Technologien zur Verbesserung des Kundenerlebnisses verbindet. Wir haben mit McKay über seine Rolle bei THOR und die laufenden Innovationen gesprochen.

Camper Professional − Wie sehen Sie Ihre Rolle bei THOR?

McKay Featherstone − Wir konzentrieren uns voll und ganz darauf, das Erlebnis für Reisemobilisten zu verbessern. Außerdem wollen unsere Unternehmensfamilie unterstützen, es einfacher zu machen, zu reisen, zu campen – auch netzunabhängig. Unsere Kunden sollen mehr Zeit mit Genießen und weniger Zeit mit Bedienen und Arbeiten zu verbringen. Gemeinsam mit unseren Unternehmen arbeiten wir an Innovationen, um Fahrzeuge zu konzipieren, die einfach und intuitiv zu bedienen sind, und wo der Support über APPs, Websites und mehr jederzeit zugänglich ist.

Camper Professional − THOR investiert in elektrische Antriebe, wie sieht die Zukunft aus.

McKay Featherstone − Die Zukunft des Reisemobils liegt zweifellos in flexiblen Lösungen und emissionsärmeren Optionen. Dabei spielen Elektrofahrzeuge eine wichtige Rolle. Wir wollen ein Teil von dieser Entwicklung sein. Wir brauchen Flexibilität bei unseren Antriebsoptionen, denn verschiedene Märkte haben unterschiedliche Bedürfnisse. In Märkten wie den USA sind wir beispielsweise der Meinung, dass Hybrid-Fahrzeuge der richtige Ansatz sind, weil die Menschen in der Regel lange Strecken fahren und unsere Ladeinfrastruktur noch nicht ausgereift ist. In Europa ist das etwas anders, hier machen reine Elektrofahrzeuge mehr Sinn.

Camper Professional − THOR hat sich mit dem EV-Startup-Unternehmen Harbinger Motors zusammengetan, um Wohnmobile der Klasse A zu produzieren – was können Sie uns dazu sagen?

McKay Featherstone − Wir wollten ein EV-Wohnmobil-Chassis, bei dem die übliche Angst vor zu wenig Reichweite kein Problem darstellt. Die Anpassung eines bestehenden Chassis bringt Ineffizienz sowie unnötiges Gewicht und Kosten mit sich. Deshalb haben wir uns mit dem Startup-Unternehmen Harbinger zusammengetan, das ein völlig neues Konzept entwickelt hat. Das Ergebnis ist ein flaches Chassis mit einer kompakte Motor- und Getriebeeinheit und 140-kWh-Batterien, die innerhalb des Rahmens installiert sind. Außerdem verfügt es über eine unabhängige Vorderradaufhängung und einen hervorragenden Einschlagwinkel von etwa 55 Grad.

Camper Professional − Welche Reichweite können Fahrzeuge mit diesem Fahrgestell erzielen?

McKay Featherstone − Die Batterien allein sollten eine emissionsfreie Reichweite von etwa 150 Meilen (241,4 Kilometer) ermöglichen, die jedoch durch den eingebauten benzinbetriebenen Range Extender auf 500 Meilen (804,67 Kilometer) erweitert werden kann. Dieser erzeugt Strom mit Hochspannung und ist sowohl effizient als auch leise. Auf der letztjährigen Elkhart RV Open House haben wir einen RV-Prototypen auf diesem Fahrgestell vorgestellt. Noch in diesem Jahr werden die ersten Einheiten in Produktion gehen.

Camper Professional − Wie wird der Range Extender genutzt – muss das Fahrzeug still stehen?

McKay Featherstone − Nein, der Range Extender kann auch während der Fahrt verwendet werden, um die Entladung der Batterien auszugleichen. Bei vorsichtiger Fahrweise und niedrigen Geschwindigkeiten ist es sogar möglich, allein mit dem Range Extender zu fahren.

Camper Professional − Wie verhält sich der Range Extender im Hinblick auf die Emissionen im Vergleich zu einem modernen Dieselmotor?

McKay Featherstone − Wir streben die Norm für nahezu emissionsfreie Fahrzeuge (Near-Zero Emission Vehicle, NZEV) im Rahmen der kalifornischen Gesetzgebung für fortschrittliche saubere Fahrzeuge an. Das ist ein sehr strenger Standard, und wir glauben, dass wir ihn erfüllen können.

Camper Professional − Warum haben Sie sich für Harbinger und nicht für einen anderen Hersteller entschieden?

McKay Featherstone − Wir waren auf der Suche nach einem Partner mit einem cleanen Chassis-Design, der uns die benötigte Effizienz für ein großartiges Wohnmobilerlebnis bietet. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass dies durch die Nachrüstung eines Antriebsstrangs an ein bestehendes Chassis möglich ist. Dieser neue Ansatz verschafft unseren Unternehmen einen Vorteil bei Reichweite, Leistung und Qualität. Mit diesem intelligenten Ansatz war Harbinger in der Lage, ein effizientes Paket mit kleinen Motoren und modernen Aufhängungs- und Lenksystemen zu konzipieren. Wir bei THOR sehen hier ein Fahrzeug, das einfacher und besser zu fahren ist.

Camper Professional − Können Sie sich vorstellen, dass die Antriebsakkus auch für die Stromversorgung im Wohnmobil verwendet werden?

McKay Featherstone − Ja, wir halten das für sehr wichtig, denn wir wollen nicht noch mehr Batterien zu den bereits im Antriebsstrang vorhandenen hinzufügen, wie es einige andere Anbieter tun. Die Stromversorgung für die Klimaanlage im Wohnraum ist wahrscheinlich die größte Herausforderung, aber hier können wir die Klimaanlage des Basisfahrzeuges nutzen, um eine wirksame Klimatisierung im Mobil zu erreichen. Wohnmobilisten können so auf die vollen 140 kWh als Antriebsenergie zugreifen. In wirklich kalten Klimazonen wird aber eine Art Zusatzheizung erforderlich sein. Alles in allem bietet dieses einzigartige Konzept den Reisenden die nötige Energie, um eine akzeptable Reichweite zu erzielen und eine lange Unabhängigkeit vom Netz zu garantieren.

Camper Professional − Wird so viel Platz für die Batterien ein Problem für Stauraum und Beladung sein?

McKay Featherstone − Zwischen dem Rahmen, wo die Batterie und der Range Extender untergebracht sind, wird es keinen Stauraum geben, aber wir werden dies durch eine andere Anordnung im Stauraum ausgleichen. Unsere Unternehmen haben einige aufregende Produkte auf den Markt gebracht, und wir glauben, dass die Kunden mit der Menge an Stauraum zufrieden sein werden.

Camper Professional − Wie sehen Sie den Preis von Reisemobilen auf Harbinger-Basis im Vergleich zu Standard-ICE-Modellen?

McKay Featherstone − Fahrzeuge auf Harbinger-Basis werden qualitativ hochwertige und leistungsstarke Produkte sein. Sie werden im Vergleich zu ICE-Wohnmobilen mit Benzinmotor einen höheren Preis haben. Aufgrund des sehr effizienten Konzepts streben wir dennoch ein Preisniveau an, das mit dem von Premiumprodukten auf dem heutigen Markt vergleichbar ist.

Camper Professional − Was sind Ihre Pläne für den europäischen Markt, wo die Harbinger-Fahrzeuge wahrscheinlich zu groß sein werden?

McKay Featherstone − Die Erwin Hymer Group ist führend in diesem Bereich und hat einen klaren Plan für die Zukunft. Unsere Aufgabe ist es, mit der EHG zusammenzuarbeiten, um die weltweit besten Lösungen für Kundenfreiheit und Nachhaltigkeit zu erzielen, unabhängig von der Fahrzeuggröße.

Camper Professional − Haben Sie den Einsatz einer Brennstoffzelle als Range Extender in Betracht gezogen?

McKay Featherstone − Ja, THOR beschäftigt sich weiterhin mit Brennstoffzellen. In der Tat haben wir das ursprüngliche Vision Vehicle als Hybridfahrzeug mit einem Brennstoffzellen-Reichweitenverlängerer auf den Markt gebracht. Die Herausforderung bei Brennstoffzellen ist ihre Skalierbarkeit, und für ein Fahrzeug wie den Harbinger bräuchte man eine sehr große Brennstoffzelle. Deshalb haben wir uns für den Benzingenerator entschieden, der viel kompakter ist.

Camper Professional − Das THOR Vision Vehicle wurde vor drei Jahren vorgestellt – was hat sich seitdem getan?

McKay Featherstone − Mit dem THOR Vision Vehicle (TVV) sollte ein Weg in die Zukunft aufgezeigt werden, und jetzt kommt auch ein Hybridantrieb auf den Markt. Die anderen Schlüsselelemente des TVV waren die aerodynamische Performance und das digitale Erlebnis. Was die Aerodynamik betrifft, so ist dieser Ansatz für unsere Marken inzwischen zum Tagesgeschäft geworden und wird in die neuen Konzepte einfließen. Auf der digitalen Seite haben wir eine globale Plattform für vernetzte Fahrzeuge entwickelt, da die zugrunde liegenden Kundenbedürfnisse auf allen Märkten die gleichen sind. Die Vision wurde bereits mit der Fernüberwachung und -steuerung des Fahrzeugs zum Leben erweckt, während gleichzeitig das gesamte Wohnmobilerlebnis für unsere Unternehmen durch die Integration der Roadtrippers-APP in den USA verbessert wurde.

Camper Professional − Wie verbessern APPs das Kundenerlebnis?

McKay Featherstone − Eine unserer führenden US-Marken hat gerade eine neue Website und eine APP eingeführt, die ihren Kunden alle Informationen rund um das Fahrzeug anbietet und somit ein großartiges Nutzungserlebnis erlaubt. Dazu gehören verständliche Anleitungen, Wartungsvideos und -artikel und auch Fehlersuch- und Bedienungsanleitungen. Die Fortschritte bei diesen Tools helfen den Besitzern, mehr Zeit mit ihren Wohnmobilreisen zu verbringen und erweisen sich als sehr erfolgreich.

Camper Professional − Haben Sie weitere kundenorientierte APPs?

McKay Featherstone − Ja, THOR-Unternehmen sowohl in den USA als auch in Europa haben APPs, die sich darauf konzentrieren, die Nutzung und Erfahrung des Besitzers zu verbessern. Wir haben vor kurzem die Roadtrippers-APP integriert – die führende APP zur Planung von Autoreisen in den USA. Wir haben etwa 40.000 interessante Orte in die Navigationskarte der APP integriert. Durch unsere Partnerschaft mit Roadtrippers können unsere Kunden auch in Echtzeit auf Navigation und Wegbeschreibungen zugreifen, die speziell auf ihr Wohnmobil zugeschnitten sind, einschließlich Durchfahrts-Höhenangaben, Gasversorgung und sogar die Buchung von Camping- und Stellplätzen. Die APP ist vergleichbar mit der Freeontour-APP der Erwin Hymer Group, die bei Kunden in Europa sehr beliebt ist.

Camper Professional − Setzen Sie KI als Werkzeug ein, um Innovationen voranzutreiben?

McKay Featherstone − Wir setzen KI auf der geschäftlichen Seite ein, damit wir den Händlern effizienter und effektiver helfen können, ihr Geschäft auszubauen und gleichzeitig besser auf den Markt zu reagieren. Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium, aber KI hat bereits positive Auswirkungen auf unser Geschäft. Beim Endverbraucher werden wir KI nur dann einsetzen, wenn wir sicher sind, dass wir damit das Vergnügen am Reisemobil vergrößern können.

Camper Professional − Gibt es noch andere Bereiche der Innovation, die Sie erwähnen möchten?

McKay Featherstone − Automatisierung ist für uns sehr wichtig, um die Qualität und die Kosten unseres Produkts sowie die Arbeitsumgebung für alle unsere Teammitglieder weiter zu verbessern. Bei der Elkhart RV Open House im Jahr 2024 haben wir mehrere innovative Automatisierungssysteme vorgestellt. Ich freue mich, sagen zu können, dass diese nun ausgeliefert wurden und wir weitere Projekte in Angriff nehmen, die einen positiven Einfluss auf unsere Unternehmen und unsere Arbeitsplätze haben werden.

Camper Professional − Wie passt Nachhaltigkeit in den Innovationsmix?

McKay Featherstone − Die Nachhaltigkeit des Wohnmobilfahrens von der Fabrik bis zum Campingplatz ist Teil unserer globalen Innovationsmission. Der Vorstoß von THOR in Richtung Elektrofahrzeuge passt perfekt dazu und unsere Unternehmen arbeiten weiter daran, leichtere Lösungen in ihr aktuelles Produktangebot aufzunehmen. Beim Tag der offenen Tür 2024 haben wir zum Beispiel ein brandneues Schranksystem vorgestellt, welches das Gewicht und die Montagezeit erheblich reduziert. Wir haben auch eine Nachhaltigkeits-Website, auf der wir unser Programm für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) detailliert vorstellen.

Camper Professional − Eine persönliche Anmerkung: Sie spielen historisches Baseball?

McKay Featherstone − Ja, Baseball wurde in den USA um 1840 mit etwas anderen Regeln als heute eingeführt. Der größte Unterschied ist, dass es keine Handschuhe gibt und man einen „Fastball“, also einen Baseball mit hohem Tempo, mit bloßen Händen fangen muss! Wir ziehen alte Uniformen an und spielen an schönen Sommertagen auf einem Feld ohne Licht und Zäune. Das macht großen Spaß! Zu erfahren, wie die Menschen in der Vergangenheit gelebt haben, hilft uns meiner Meinung nach, die universellen Bedürfnisse und Wünsche der Menschen von heute und morgen besser zu verstehen.

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