Interviews mit Wohnmobilherstellern Zeitungsinterview

Kenji Araki, JRVA

Anpassung an den Wandel: Einblicke in die sich entwickelnde japanische Wohnmobilindustrie

Vier Jahre nach unserem letzten Bericht haben wir uns erneut mit Kenji Araki, dem Vorsitzenden von JRVA und CEO von Nuts RV Co. Ltd., getroffen, um die Entwicklung des japanischen Wohnmobilmarktes zu besprechen. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Frage, wie sich der demografische Wandel, technologische Fortschritte und veränderte Verbraucherpräferenzen auf die Branche ausgewirkt haben, sowie die Herausforderungen und Chancen, die sich aus einer alternden Bevölkerung und kulturellen Ver-änderungen ergeben.

Text: Bartek Radzimski und Antonio Mazzucchelli, Fotos: Enrico Bona

Im März 2020 nahm „Aboutcamp BtoB“ (Schwesterpublikation von Camper Professional Deutschland) an der Japan Camping Car Show (JCCS) in Tokio teil und veröffentlichte einen detaillierten Bericht, in dem die einzigartigen Aspekte des japanischen Wohnmobilmarktes untersucht wurden. Die japanische Wohnmobilindustrie ist stetig gewachsen, und laut JRVA wurden 2019 etwa 6.500 Einheiten verkauft, wobei sich schätzungsweise insgesamt 110.000 Wohnmobile auf japanischen Straßen befinden. Der Markt wird hauptsächlich von Basisfahrzeugen einheimischer Hersteller wie Toyota und Nissan angetrieben, da es bei ausländischen Importen aufgrund der Fahrzeuggröße und der Wartungsfreundlichkeit nur einen Marktanteil von 10–15 Prozent gibt. Im Jahr 2020 bereitete sich Japan auf die Ausrichtung großer internationaler Veranstaltungen wie der Rugby-Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele in Tokio vor. Es wurde erwartet, dass die Vermietung von Wohnmobilen sowie das Interesse von Ausländern an der Nutzung von Wohnmobilen in Japan zunehmen würden. Da immer mehr Menschen Wohnmobile als bequeme und komfortable Möglichkeit entdeckten, Japan zu erkunden, hatte die JRVA außerdem ehrgeizige Pläne, die Zahl der Wohnmobilstellplätze von 150 auf 300 zu erhöhen. Die COVID-19-Pandemie, die die Wohnmobilbranche im Jahr 2020 traf, war jedoch ein schwerer Schlag, der Reisepläne und Lieferketten durcheinanderbrachte und das erwartete Wachstum des internationalen Tourismus bremste. Trotz dieser Herausforderungen führte die Pandemie doch zu einer erhöhten Nachfrage nach Inlandstourismus, da mehr japanische Reisende nach sichereren, sozial autarken Urlaubsmöglichkeiten wie Wohnmobilreisen suchten. Jetzt, vier Jahre später, haben wir uns erneut mit Kenji Araki, dem derzeit Vorsitzenden der JRVA und Präsidenten sowie CEO von Nuts RV Co. Ltd., getroffen, um die Entwicklung des Marktes seit unserem letzten Bericht zu erörtern. Unter dem Einfluss des demografischen Wandels, der kulturellen Einstellung zur Freizeitgestaltung und internationaler Ereignisse versuchen wir zu verstehen, wie die Branche in den letzten Jahren gewachsen ist und sich angepasst hat. Insbesondere interes-sierte uns, wie sich eine alternde Bevölkerung, technologische Fortschritte und sich ändernde Verbraucherpräferenzen auf den Markt auswirken und welche Herausforderungen sowie Chancen sich für die japanische Wohnmobilbranche daraus ergeben.

Camper Professional – Wie hat sich der Wohnmobilmarkt in Japan in den vergangenen vier Jahren entwickelt? Und was war die bemerkenswerteste Veränderung?

Kenji Araki – Ich denke, dass viele Bereiche der mobile Freizeit in den letzten vier Jahren, seit ich Vorsitzender bin, erheblich gewachsen sind. Zum Teil aufgrund der Auswirkungen von CO-VID-19 haben sich viele Unternehmen, die an der Wohnmobilbranche interessiert sind, uns angeschlossen. Auch die Zahl der Mitglieder ist um 20 Prozent gestiegen. Das größte Wachstum war der Anstieg der Verkaufszahlen, bei denen die Branche im Jahr 2023 die 100-Milliarden-Yen-Marke (620.948.900 €) überschritt und im Jahr 2024 weiter auf 112,6 Milliarden Yen anstieg. (699.188.461 €).

Camper Professional – JRVA prognostizierte 2019, dass der Verkauf von Wohnmobilen über 7.000 Einheiten erreichen würde. Wie haben sich diese Zahlen in den letzten Jahren verändert? Und welche Trends haben Sie bei den Fahrzeugzulassungen beobachtet?

Kenji Araki – Seit 2020 ist unser Markt jedes Jahr stetig um 15–20 Prozent gewachsen. Unser Markt ist immer noch „auftragsbezogen“, sodass die Produktions- und Zulassungszahlen im Grunde gleich sind. Wie in anderen Märkten gab es während der COVID-Pandemie einen starken Anstieg, sodass die Produktion im Jahr 2023 11.000 Einheiten überwand und im letzten Jahr weiter auf 13.500 Einheiten anstieg. Das Segment mit dem höchsten Wachstum sind dabei kleinere Fahrzeuge ohne Toilette oder Badezimmer und mit nur sehr einfacher Ausstattung. Der Hauptnutzen besteht darin, im Fahrzeug zu schlafen, während alle anderen Aspekte des Campings und Caravanings im Freien stattfinden.

Camper Professional – Was prognostizieren Sie für den japanischen Wohnmobilmarkt in den nächsten 5 bis 10 Jahren? Erwarten Sie, dass er weiterwächst? Oder gibt es größere Hindernisse, die eine Expansion verhindern werden?

Kenji Araki – Ich denke, dass die Branche wachsen wird. Obwohl Japan weiterhin von der sinkenden Geburtenrate und der alternden Bevölkerung betroffen ist, steigt der Inlandsverbrauch bei unseren potenziellen Kunden. Es wird erwartet, dass die Automobilindustrie mit dem Thema „Mobilität“ vorankommt. Dabei stehen allerdings selbstfahrende Autos und Elektroautos im Mittelpunkt stehen. Das hat für Kunden allerdings keinen Erlebniswert. Mit Campingwagen schlagen wir neue Wege vor, um Spaß zu haben und neue Erfahrungen im Leben unserer Kunden zu sammeln. Die japanische Bevölkerung altert und ich glaube, dass die Menschen ihr Leben immer mehr genießen werden. Ich gehe davon aus, dass sich die Produktion in fünf Jahren auf 30.000 Einheiten und in zehn Jahren auf 60.000 Einheiten verdreifachen wird.

Camper Professional – Welche neuen Initiativen und Strategien setzt JRVA um, um den Wohnmobil-Lebensstil in Japan zu fördern und das Wachstum der Branche zu unterstützen?

Kenji Araki – Zunächst einmal fordern wir als Infrastrukturinitiative Einzelpersonen und relevante Institutionen dazu auf, die Einrichtung von „Wohnmobilstellplätzen“ zu fördern. Wir betreiben Lobbyarbeit und unterstützen die nationale Regierung dabei, diese Initiativen zu unterstützen. Wir haben bei diesen Aktivitäten bereits beachtliche Erfolge erzielt und es wird noch mehr geben. Um die Finanzierung von Fahrzeugen für Endnutzer zu erleichtern, haben wir außerdem erfolgreich Mobil-Kredite eingeführt, die den Kauf in mehr als 240 Raten ermöglichen. Mit einem angemessenen Zinssatz ist dieses Darlehen sehr beliebt, insbesondere bei jüngeren Käufern.

Camper Professional – Wie hat sich die COVID-Pandemie auf die Wohnmobilindustrie in Japan ausgewirkt, was Produktions- und Lieferkettenunterbrechungen und die Nachfrage nach Wohnmobilen betrifft?

Kenji Araki – Es stimmt, dass die Produktion aufgrund von Lieferengpässen leicht zurückgegangen ist, andererseits ist die Nachfrage gestiegen. Vor allem in Japan, wo die Kultur stark auf Arbeit und Büro ausgerichtet war, denke ich, dass COVID eine Gelegenheit ist, Familie, Ak-tivitäten im Freien und Tourismus neu zu überdenken.

Camper Professional – Haben Sie angesichts der Zunahme von Freizeitaktivitäten im Land eine Veränderung der Einstellung (Denkweise) gegenüber Reisen mit Wohnmobilen festgestellt, insbesondere bei jüngeren Generationen und Rentnern?

Kenji Araki – Rentner und ältere Kunden haben schon immer davon geträumt, mit Wohnmobilen zu reisen, und für viele wird dieser Traum jetzt Wirklichkeit. Andererseits glaube ich, dass junge Leute in letzter Zeit immer weniger an Autos interessiert sind.

Camper Professional – Sie haben vielleicht bemerkt, dass die Vermietung von Wohnmobilen in Japan in den letzten Jahren zugenommen hat. Ist dieses Wachstum auf die wachsende Neugierde der Öffentlichkeit oder auf einen Anstieg der Touristenzahlen zurückzuführen?

Kenji Araki – Vor etwa 10 Jahren gab es nur etwa 30 Wohnmobilvermieter, heute gibt es landesweit 200 bis 400 Geschäfte. Die Inlandsnachfrage nach Mietobjekten ist gestiegen, aber auch dank des Booms im Incoming-Tourismus halte ich es für ein rentables Geschäft.

Camper Professional – In Japan fördert das Arbeitsumfeld (die Sitten) traditionell keine langen Urlaube. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die kulturelle Wahrnehmung von Wohnmobilreisen und Langzeitreisen entwickeln?

Kenji Araki – Aufgrund der von der Regierung initiierten Initiativen zur „Reform des Arbeitsstils“ nimmt die Nutzung von Urlaubstagen rapide zu. Im Vergleich zum Westen ist man noch weit davon entfernt, aber mit der zunehmenden Verbreitung von Raststätten und Wohnmobilstellplätzen setzen sich „Autoreisen und Schlafen im Auto“ definitiv durch.

Camper Professional – Japan altert rapide. Wie hat sich diese demografische Entwicklung auf den Wohnmobilmarkt ausgewirkt? Erwarten Sie, dass mehr Rentner den Wohnmobil-Lebensstil übernehmen werden?

Kenji Araki – Das Älterwerden hat einen „Spielvorschlag“ für den Rest des Lebens mit Freizeit gemacht. Die Menschen versuchen, das Leben für sich selbst zu genießen. Die Tatsache, dass 250.000 Besucher etwa 20 Wohnmobilausstellungen pro Jahr besuchen, spricht für sich.

Camper Professional – Gab es in den letzten vier Jahren in der japanischen Wohnmobilbranche größere technologische oder ökologische Innovationen?

Kenji Araki – Das Auffüllen von Flüssiggasflaschen ist in Japan nach wie vor eine Herausforderung. Aus diesem Grund wird die Bordelektrifizierung, die auf eine netzunabhängige Stromversorgung abzielt, weiterentwickelt. Als Maßnahme gegen die globale Erwärmung sind die meisten Wohnmobile in Japan mit Klimaanlagen ausgestattet, die auf Haushalts-Klimaanlagen basieren.

Camper Professional – JRVA strebt eine Erweiterung der Wohnmobilstellplätze auf 200 bis 300 Standorte an. Wie kommt diese Erweiterung voran? Sehen Sie außerdem neue Trends bei der Lage und Gestaltung von Wohnmobilstellplätzen?

Kenji Araki – Es gibt jetzt landesweit 500 Wohnmobilstellplätze. Nicht nur Campingplätze und Stellplätze, sondern auch öffentliche Raststätten und Kommunalverwaltungen haben sich an der Entwicklung dieser wichtigen Infrastruktur beteiligt.

Camper Professional – In Japan hatten bisher in anderen Ländern hergestellte Wohnmobile aufgrund ihrer Größe und Wartungsfreundlichkeit mit Herausforderungen zu kämpfen. Wurden diese Herausforderungen gelöst, sodass es für ausländische Wohnmobilmarken einfacher ist, auf den Markt zu kommen?

Kenji Araki – In anderen Ländern hergestellte Wohnmobile nehmen stetig zu, allerdings gelten für fertige Fahrzeuge unterschiedliche Vorschriften. Die Herausforderung für importierte Fahrzeuge besteht darin, sie an die örtlichen Vorschriften und an die Kundenanforderungen anzupassen. Was die Basisfahrzeuge betrifft, so kam 2022 der Fiat Ducato auf den Markt und es wurden autorisierte Händler eingerichtet. Dies waren die ersten importierten Basisfahrzeuge, die nach Japan kamen.

Camper Professional – Gibt es innerhalb der JRVA oder der Regierung Diskussionen über eine Änderung der strengen japanischen Vorschriften für Anhänger und große Wohnmobile, für die spezielle Lizenzen erforderlich sind?

Kenji Araki – Die Diskussionen dauern an, kommen aber aufgrund der engen Straßenverhältnisse in Japan nicht voran.

Camper Professional – Wie war die diesjährige Tokyo Camper Show im Vergleich zum letzten Jahr? Hat die Größe der Messe und die Zahl der Besucher zugenommen?

Kenji Araki – Die Japan Camping Car Show 2025 hat einen neuen Rekord in Bezug auf die Ausstellungsfläche und die Zahl der ausgestellten Fahrzeuge aufgestellt. Im Vergleich zu 2024 wurde die Messe in diesem Jahr von 33.750 m² auf 40.500 m² erweitert. Mit einer zusätzliche Halle haben wir jetzt insgesamt sechs Hallen. Auch die Zahl der Aussteller und Fahrzeuge stieg von 171 Unternehmen, die 2024 circa 392 Fahrzeuge ausstellten, auf 183 Unternehmen, die 423 Fahrzeuge präsentierten. Auch die Besucherzahlen stiegen von fast 46.000 Teilnehmern im Jahr 2024 auf mehr als 47.180 in diesem Jahr.

Camper Professional – Sind in den letzten Jahren viele neue Wohnmobilhersteller auf dem japanischen Markt aufgetaucht? Hat der Anteil der ausländischen Aussteller auf der Tokyo Show zugenommen?

Kenji Araki – Die Zahl der neuen Wohnmobilhersteller, die an den Camping Car Shows teilnehmen, ist stetig gestiegen. Auch einige neue Marken aus Europa wurden von einheimischen Importeuren eingeführt, allerdings gibt es keine direkten ausländischen Aussteller auf der Messe.

Camper Professional – Wie ist Ihre derzeitige Beziehung zu japanischen Herstellern von Basisfahrzeugen wie Toyota, Nissan und Mazda? Sind sie daran interessiert, die Wohnmobilsparte zu einem bedeutenderen Markt zu entwickeln?

Kenji Araki – Ich denke, unsere Beziehungen zu den Herstellern sind gut und sie erfüllen unsere Nachfrage nach Basisfahrzeugen mit spezifischen Freizeitfahrzeug-Anforderungen. Allerdings sind sie aufgrund der begrenzten Zahl von in Japan verkauften Wohnmobilen nicht daran interessiert, spezielle Ressourcen und Fahrgestelle zu entwickeln. Ihr Interesse könnte sich mit steigenden Verkaufszahlen entwickeln.

Camper Professional – Glauben Sie, dass neue Akteure wie Stellantis oder andere europäische Unternehmen zum Wachstum dieses Marktes beitragen könnten?

Kenji Araki – Ich denke, dass es für Wohnmobilhersteller schwierig sein wird, in den Markt einzusteigen, aber Hersteller von Basisfahrzeugen sind willkommen, in den Markt einzusteigen. Wenn das geschieht, wird dies zum Wachstum des Marktes beitragen.