Zeitungsinterview

Fabrizio Giugiaro, GFG Style

Wohn(mobil)-Know-how und Automobil-Design

Vom Auto zum Reisemobil: Fabrizio Giugiaro ist der CEO von GFG Style, einem Designunternehmen, das seit kurzem auch im Wohnmobilsektor tätig ist.

Text: Renato Antonini – Foto: Enrico Bona

Die Anwesenheit von berühmten Designern aus der Automobilwelt ist im Wohnmobilsektor eher nicht üblich, aber genau das ist kürzlich mit der Zusammenarbeit von Laika und GFG Style geschehen. Wer sich auf dem europäischen Wohnmobilmarkt auskennt, dem braucht man Laika nicht vorzustellen. Der traditionsreiche italienische Wohnmobil-Hersteller wurde 1964 gegründet und gehört seit einigen Jahren zur Erwin Hymer Group. GFG Style ist vielleicht weniger bekannt, aber das Akronym geht auf einen der berühmtesten Namen der italienischen Designwelt zurück. Die drei Buchstaben GFG stehen für Giorgetto und Fabrizio Giugiaro. Der Name Giugiaro ist eine automobile Legende. Der 1938 geborene Giorgetto Giugiaro entwarf einige der kultigsten Autos des 20. Jahrhunderts. Dazu gehören, der erste Serien-Volkswagen Golf (1974), der erste Fiat Panda (1980, Compasso d‘Oro Award 1981), sowie mehrere großartige Sportwagen und innovative Konzepte – hier sind der Lotus Esprit (1976), der BMW M1 (1978) und der DeLorean DMC-12 (1981) zu nennen. 1968 gründete Giugiaro zusammen mit Aldo Mantovani sein eigenes Unternehmen mit Namen Italdesign. 2015 wurden alle Anteile an den Volkswagen-Konzern verkauft. Giorgetto Giugiaros Sohn Fabrizio wuchs in der Schule seines Vaters auf. Gemeinsam entwarfen und entwickelten sie über 200 Prototypen und mehr als 300 Serienmodelle. Seit 2003 arbeitet Fabrizio Giugiaro für Giugiaro Architettura, eine Firma, die sich auf Architektur und Stadtplanung, Bootsdesign, Innenarchitektur und Produktdesign auf unterschiedlichsten Ebenen spezialisiert hat. In dieser Zeit entstand GFG Style, das stilistische Beratungsdienste für das Automobildesign anbietet. Wir haben uns mit Fabrizio Giugiaro am Sitz des Unternehmens in Moncalieri bei Turin getroffen. Dort befindet sich auch ein Museum, in dem einige der wichtigsten Modelle ausgestellt sind. Wir wollten wissen, was das Giugiaro-Team im Laufe der Jahre entworfen hat, um mehr über die Firma GFG Style zu erfahren.

Camper Professional – Erzählen Sie uns von GFG Style. Wie ist das Unternehmen entstanden und wie hat es sich entwickelt?

Fabrizio Giugiaro – GFG Style ist eines von drei Unternehmen, einer Gruppe, die sich im Besitz der Familie Giugiaro befindet. Das Hauptunternehmen – auch das älteste – ist Giugiaro Architettura für Architekturprojekte und Produktdesign in verschiedenen Bereichen. Giugiaro Architettura blieb in unseren Händen auch als wir zwischenzeitlich Italdesign an VW verkauften. Unter der Kontrolle der Muttergesellschaft wurden dann zwei weitere Unternehmen gegründet, die in spezifischen Bereichen tätig sind: GFG Rail für den Eisenbahnsektor und GFG Style für den Fahrzeugsektor. Die drei Unternehmen sind gewachsen und sind heute in einer Vielzahl von Sektoren tätig. Unsere Gruppe verfügt über zwei Standorte in der Nähe von Turin und beschäftigt rund fünfzig Mitarbeiter.

Camper Professional – In welchen Bereichen sind Sie speziell tätig?

Fabrizio Giugiaro – Mit Giugiaro Architettura arbeiten wir an sehr unterschiedlichen Projekten, von Einfamilienhäusern bis hin zu kompletten Stadterneuerungsprojekten. Zum Beispiel haben wir 2011 die Außenanlagen des neuen Juventus-Stadions in Turin entworfen, einschließlich eines angrenzenden Gewerbegebiets. 2018 gewannen wir auf Einladung einen Wettbewerb für die Renovierung des Hauptbahnhofs in Mailand. Es handelte sich um ein riesiges Projekt: 35.000 Quadratmeter ungenutzte Fläche sollten für neue Zwecke umgestaltet, restauriert und mit modernen Elementen ergänzt werden, die sich in die hundert Jahre alte Architektur einfügen sollte. Zudem haben wir uns auf die Restaurierung und Wiederbelebung von Produktionsräumen in alten Gebäuden spezialisiert, wie beispielsweise dem historischen Sitz von Italgas in Turin. Aber Giugiaro Architettura ist auch im Bereich Produkt-Design tätig. So entwickeln wir seit 2015 für Wena (eine Marke des Sony-Konzerns) eine Reihe traditionell anmutender Uhren mit Smartwatch-Funktionen (zum Beispiel für digitale Zahlungen), die in das Armband integriert sind. Innovativ ist, dass sie den Träger nicht zwingen, sein Handgelenk zu beugen.

Camper Professional – Was ist mit den beiden anderen Marken?

Fabrizio Giugiaro – GFG Rail ist auf das Design von Zügen, Straßenbahnen und U-Bahnen spezialisiert. Hier verfügen wir über 30 Jahre Erfahrung. Wir haben sowohl für Hersteller von Eisenbahnwaggons wie Alstom, Hitachi und Bombardier wie auch für operative Endkunden gearbeitet, heißt für Unternehmen, welche die Züge in den verschiedenen Netzen betreiben. So haben wir beispielsweise die Innenausstattung des ETR 500 und des ETR 700 entworfen. Das sind zwei Hochgeschwindigkeitszüge, die von Trenitalia, der größten italienischen Eisenbahngesellschaft, eingesetzt werden. GFG Style hingegen arbeitet im gesamten Bereich des Fahrzeugdesigns an Autos, aber auch an Industriefahrzeugen, Landmaschinen und jetzt auch an Wohnmobilen.

Camper Professional – Können Sie uns einige weitere Arbeitsbeispiele nennen?

Fabrizio Giugiaro – Lassen Sie uns mit einem kuriosen Fall beginnen. Im Jahr 1974 entwarf mein Vater das Hyundai Pony Coupé-Konzept, und vor kurzem bat uns das koreanische Unternehmen, den verloren gegangenen Prototypen wiederherzustellen. Das neue Konzeptfahrzeug wurde im Mai 2023 vorgestellt, und aus dieser Erfahrung entstand eine neue Zusammenarbeit mit Hyundai. Zurzeit arbeiten wir mit Lafitte an einem der umfangreichsten Projekte der letzten Jahre, das von der Logoentwicklung bis zum Design verschiedener Straßenfahrzeugmodelle reicht. Wir haben auch viele Lkw-Konzepte für chinesische Unternehmen entwickelt, und das aktuellste Projekt ist die Gestaltung eines Sportwagens für Bizzarrini.

Camper Professional – Können Sie mir mehr über die Arbeit von GFG Style erzählen?

Fabrizio Giugiaro – Wir beschäftigen zahlreiche Designer und einige Modellbauer. Zunächst beginnen wir mit einer Handskizze und gehen dann zu immer komplexeren Ausführungen über. Dabei setzen wir modernste Softwareprogramme ein. Wir können Modelle in Originalgröße aus verschiedenen Materialien herstellen. Aber der aktuelle Trend in der Automobilindustrie geht dahin, immer weniger Modelle herzustellen, weil sie letztendlich zu teuer sind. Die virtuelle Realität hat heute einen langen Atem. Als ich vor einigen Jahren die neuen Entwicklungsmöglichkeiten vorhersah, ließ ich in unseren Räumlichkeiten einen 7 x 4 Meter großen Bildschirm installieren. Auf dem wurden Autos im 3D-Format und im Maßstab 1:1 dargestellt. Heute bitten uns Unternehmen um mehrere Konzepte, was eine besondere Herausforderung gegenüber einem einzelnen maßstabsgetreuen Modell darstellt. In dem Zusammenhang ist eine unserer besonderen Fähigkeiten, dass der Hersteller bei uns mehrere Zwischenstufen überspringen kann. So erhält er schneller einen fast fertigen Entwurf, der nur noch wenige Schritte bis zur industriellen Produktion benötigt. letztendlich erstellen wir produktionsreife Konzepte. Das ist ein Aspekt, den unsere Kunden schon immer zu schätzen wussten. Historisch haben wir auf der Erfahrung von Giorgetto Giugiaro aufgebaut und dabei die Idee des direkten Bezugs zur Realität beibehalten, indem wir Konzepte anbieten, die technisch ausgereift und im Allgemeinen sehr kostenbewusst sind. Diese Arbeitsweise, die ihren Ursprung im Automobilsektor hat, wurde auf die anderen Aktivitäten unserer Gruppe übertragen.

Camper Professional – Vom Auto zum Wohnmobil: Was ist der gemeinsame Nenner?

Fabrizio Giugiaro – Unsere Gruppe kann in allen Bereichen des Designs arbeiten. Ein Wohnmobil zu entwerfen ist zweifellos eine Herausforderung, weil es unser Fachwissen in der Innenraumgestaltung und im Automobildesign kombiniert. Für jemanden, der seinen Background im Automobildesign hat, ist es nicht immer einfach, an einem Wohnmobil zu arbeiten. Dort gibt es viel mehr dimensionale Beschränkungen, als man denkt. Anders als im Automobilbereich sind die Außenmaße oft festgelegt und können nicht verändert werden.

Camper Professional – Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Laika?

Fabrizio Giugiaro – Wir hatten bereits einige Kontakte zur Erwin Hymer Group und mit Laika fanden wir das größte gemeinsame Verständnis, weil sie immer an die Grenzen der italienischen Markenidentität und des italienischen Stils gegangen sind. Laika kontaktierte uns, weil sie ihre Produkte mutig verändern wollten, und so machten wir uns an die Arbeit, um gemeinsam mit ihnen neue Designs zu entwerfen. Die Zusammenarbeit begann im Jahr 2021 und führte zur Präsentation der neuen Modelle Kreos und Kosmo. Der neue Ecovip wird demnächst vorgestellt. Er ist ein wichtiges Traditionsmodell für Laika und ein zentraler Bestandteil der Produktpalette des Herstellers.

Camper Professional – Wie haben Sie mit Laika zusammengearbeitet?

Fabrizio Giugiaro – Es war eine kooperative Design-Operation mit Laika. Das Unternehmen hat seit jeher ein eigenes Stilzentrum. So wir haben uns entschieden, eine bestmögliche Zusammenarbeit zu suchen und nicht mit ihnen zu konkurrieren. Es gab einen ständigen, täglichen Austausch, um die endgültige Definition der Produkte zu erreichen. Es war wichtig, die Fahrzeuge innerhalb eines bestimmten Zeit- und Kostenrahmens erheblich verändern zu können. Und das ist uns gelungen.

Camper Professional – Können Sie uns mehr über die Neugestaltung von Laika erzählen?

Fabrizio Giugiaro – Wir haben sehr viel Arbeit in die Innenausstattung gesteckt. Natürlich mit Unterschieden zwischen Kosmo und Kreos, da es sich um Produkte mit sehr unterschiedlichem Preisniveau handelt. Wir haben uns mit Materialien und Lebensräumen beschäftigt. Was das Äußere betrifft, so haben wir das ursprüngliche Fahrerhaus beibehalten und uns auf ein leichtes Design konzentriert, indem wir an der Grafik, der Rückwand und dem vorderen Dachbereich gearbeitet haben. Entscheidender war unser Einsatz bei der Modellierung der äußeren Anmutung. Wir schufen eine einheitliche Front, die das markante Design einer Produktfamilie wird, das in Zukunft auch bei den anderen Laika-Modellen zu finden sein wird.

Camper Professional – Der Projektkatalog von GFG Style enthält Sportwagen, Hypercars und Traumwagen. Laufen Sie Gefahr, ein Wohnmobil wie ein „Arme-Leute-Objekt“ zu behandeln?

Fabrizio Giugiaro – Die Wohnmobile, die wir zusammen mit Laika entworfen haben, sind keine Billigprodukte. Es sind prestigeträchtige Fahrzeuge, die so viel kosten wie ein Premium-Auto. Auf jeden Fall glaube ich, dass ein Designer in der Lage sein muss, alles zu gestalten und jedem Produkt die Würde zu geben, die es verdient. Außerdem sind es oft die preiswerteren Produkte, die am sehr inspirierend sind. Mein Vater, Giorgetto Giugiaro, hat in seiner Karriere Hunderte von Autos entworfen, viele davon sehr teuer und auffällig, echte Supersportwagen. Aber das Auto, das ihn am meisten befriedigt hat, war der Fiat Panda, der 1980 auf den Markt kam, ein „populäres“ Auto, das ein großer Erfolg war.

Camper Professional – Autos, Wohnmobile, Züge, Gebäude. Heißt das, dass die Legende vom Designer, der alles entwerfen kann, immer noch aktuell ist?

Fabrizio Giugiaro – Im Vergleich zu den Pionieren des Designs hat sich der Ansatz sicherlich geändert. Heute können wir alles entwerfen, weil wir ein gut organisiertes Team haben, in dem spezifische berufliche Fähigkeiten nebeneinander bestehen. Sicherlich ist die gegenseitige Befruchtung ein Gewinn, und die Arbeit in einem Sektor kann nützliche Ideen für die Gestaltung in einem anderen liefern. Ein Wohnmobil ist ein Beispiel für die Mischung unserer verschiedenen Fähigkeiten.