Eines der traditionsreichsten Unternehmen in der Fertigung von Freizeitfahrzeugen
ist die Bürstner GmbH in Kehl bei Straßburg, seit Jahrzehnten erfolgreich in diesem Bereich.
Lange Jahre wurde das Unternehmen durch den charismatischen Firmenchef Gerhart Bürstner geprägt,
der bereits recht frühzeitig eine europäische Ausrichtung seines Betriebes verfolgte. Seine Nachfolger setzen diesen Kurs konsequent weiter fort.
Text: Claus-Detlev Bues
Von der Holzverarbeitung zum Bau von Freizeit-Fahrzeugen

Bürstner hat schon Jahrzehnte Erfahrung in der holzverarbeitenden Industrie, aber noch denkt niemand in der florierenden Groß- und Bauschreinerei an den Bau von Wohnwagen. Die Anfänge des Unternehmens liegen im Jahr 1924, damals wird die Großschreinerei im badischen Kehl-Neumühl von Jakob Bürstner gegründet. Im Jahre 1958 startet man in Kehl die Wohnwagenfertigung zunächst in kompletter Einzelfertigung und vollständiger Handarbeit. Bürstner ist dabei, als der erste Caravan Salon 1962 in Essen seine Tore öffnet. Im Herbst 1968 zerstört ein Großbrand nahezu das gesamte Werk. Händler Willi Gérard springt in die Bresche, erteilt Gerhart Bürstner einen Auftrag über 20 Wohnwagen und rettet Bürstner durch eine Bezahlung bar im Voraus.
Erster Schritt über die Grenze
Am 1. Januar 1973, wird die Bürstner GmbH, ebenfalls mit Sitz in Kehl, gegründet, das ist gewissermaßen die Geburtsstunde des heutigen Unternehmens. Drei Jahre später überschreitet die Firma die deutsche Grenze und geht nach Frankreich und beginnt mit der neu gegründeten Bürstner S.A. France in Wissembourg die Fertigung der Modellreihen Club, City und Lux.
Die achtziger Jahre stehen für Bürstner voll im Zeichen großer Investitionen. Rund 17 Millionen Mark werden in den drei Jahren von 1983 bis 1986 für Grundstücke, neue Gebäude, Maschinen und EDV-Anlagen investiert. Mit gut 17.000 Einheiten ist die Firma in der Folge im Jahre 1985 der größte europäische Wohnwagenhersteller. Zusätzlich wurden 350 Mobilheime gefertigt.
Unten: Werk Wissembourg; Werk Kehl
Wohnmobile, Expansion und die Öffnung nach Osten

Erwin Hymer, 1985
Mit dem 1. Juli 1986 beginnt bei Bürstner das Zeitalter des Wohnmobils. Rund 500 Reisemobile wurden noch im selben Jahr abgesetzt. Der Gesamtumsatz liegt bei etwa 190 Millionen Mark, erwirtschaftet von mittlerweile über 700 Mitarbeitern. Um der großen Nachfrage nach Wohnmobilen begegnen zu können, beginnt man im Februar 1987 mit dem Bau einer neuen Montagehalle für die Motorcaravans, im Juli 1987 siedelt die komplette Produktion in das neue Werk Kehl Hafen um. Von der dort zur Verfügung stehenden Fläche von annähernd 400.000 Quadratmetern sind rund 62.000 überdacht.
Meilenstein 1987: Mit dem richtungsweisenden Teilintegrierten T 620 auf dem brandneuen Al-Ko-Flachrahmen-Chassis amc entsteht ein neuer Fahrzeugtyp, ein extrem flaches Reisemobil mit hervorragenden Fahreigenschaften. Der Jahresumsatz für 1988 liegt bei rund 250 Millionen Mark.
Die Nummer Eins in Europa
Ein neues Reisemobil-Band läuft am 1. Januar 1989 in Kehl-Neumühl an. Über 20.000 Einheiten Wohnwagen, Reisemobile und Mobilheime verlassen im Jahr 1989 die Montagebänder. Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 13 Prozent ist Bürstner mittlerweile Europas größer Hersteller. In Deutschland liegt das Unternehmen auf Platz zwei der Zulassungsstatistik, in Frankreich sogar auf Platz eins. Über 300 Millionen Umsatz werden erwirtschaftet, getragen von einem Netz von über 400 Fachhändlern in insgesamt 17 europäischen Staaten. Die neunziger Jahre bringen die Öffnung nach Osten. Bereits Mitte 1992 ist Bürstner in den neuen Bundesländern mit 20 Stationen präsent.

Neuer Schritt: Abschied vom reinen Familienunternehmen

Das Jahr 1992 bringt wichtige Veränderungen im Management. Im September tritt Dr. Holger W. Siebert – heute bei Eura Mobil in Sprendlingen tätig – als Geschäftsführer in das Unternehmen ein. Im Dezember zieht sich die Familie Bürstner weitgehend aus der Firmenleitung zurück. Der Senior, Gerhart Bürstner, gibt seine Position als Geschäftsführer auf, sein Sohn verlässt den Posten als Produktionsleiter, der Industrielle Dr. Otto Happel übernimmt das Unternehmen. 1995 wird Klaus-Peter Bolz von Knaus als Vertriebsleiter in das Haus Bürstner geholt. Dr. Holger Siebert bleibt bis Anfang 1996 Geschäftsführer bei Bürstner, sein Nachfolger wird Klaus-Peter Bolz. Bürstner präsentiert im gleichen Jahr mit der Baureihe I die ersten vollintegrierten Reisemobile.

Bürstner kommt zur Hymer AG
Das Jahr 1998 bringt einen Umbruch für Bürstner. Erwin Hymer steigt bei den Kehlern ein, die Hymer AG übernimmt das Unternehmen. Im Jahre 2004 wird am Produktionsstandort in Kehl-Neumühl ein neu erbautes Kunden-Service-Center eingeweiht, 4,5 Millionen Euro hat das Unternehmen dafür investiert. Auf einem Areal von rund 15.000 Quadratmetern Fläche (rund 3.000 Quadratmeter bietet das Gebäude selbst) können die Kunden nun unter ganz neuen, optimalen Bedingungen betreut, kleinere Reparaturen am Fahrzeug sofort erledigt werden. Unter der Leitung von Wilfried Leupolz sind 60 Mitarbeiter im Service-Center tätig. Im Jahre 2007 arbeitet Bürstner mit rund 350 Händlern zusammen, im Geschäftsjahr 2006/07 konnte ein Umsatz von 278 Millionen Euro erwirtschaftet werden.
Jubiläum – 50 Jahre Bürstner
Ins Modelljahr 2008 feiert Bürstner sein 50-jähriges Jubiläum und geht mit gestraffter Modellpalette und den fifty-Sonderserien an den Start, Renault wird als Basisfahrzeug für Bürstner-Mobile aus dem Programm genommen. Bürstner stellte die Ixeo-Modelle (ursprünglich Quadro genannt) 2008/2009 vor und läutete damit eine neue Ära für teilintegrierte Reisemobile ein. Diese Modelle revolutionierten die Branche durch die Integration eines Hubbetts – eine Funktion, die den Innenraum optimierte und den Komfort verbesserte. 2009 beschreibt eine weiter Zäsur: Mit dem City Car kommt Bürstner erstmals mit einem Kastenwagenmobil als Campervan auf den Markt und stellt mit dem Averso Plus einen Wohnwagen mit Hubbett vor. Eine witzige Innovation stellt im Jahr 2013 der kompakte Teilintegrierte Brevio dar, der mit modularen Möbeln und einer großem Heckklappe aufwartet. Ein teilintegriertes Modell mit den Abmessungen eines Vans, modularen Möbeln und einer großen Heckklappe mit einem ausklappbaren Heckbett, 2015: Bürstner ist weiter innovativ und präsentiert mit dem Ixeo TL einen Teilintegrierten mit längs angeordnetem Hubbett.
Wohlfühlen als Design-Idee
Mit den Studien Brevio Rave und Harmony zeigt Bürstner auf dem Caravan Salon 2017 erste „Wohnfühl-Studie“ mit neuen Möbelkonzepten und läutet mit der Neuauflage des Kastenwagenmobil City Car auf Fiat Ducato die Expansion bei den Campervans ein.
60 Jahre Bürstner
Freude und Trauer: Bürstner feiert 60 Jahre Firmenjubiläum mit dem Jubiläumsmodell Limited I, das in einer limitierten Edition von 60 Einheiten gebaut wurde. Klaus-Peter Bolz, der lange Jahre eine prägende Figur bei Bürstner war, verstirbt 2018 nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren.
Campervans und innovative Modelle
2019 kommt der Stern aus Stuttgart zurück ins Programm: Der Lyseo M auf Mercedes Benz Sprinter soll für ein Klientel mit hohem Anspruch an Design und Funktion stehen. Die Wohnwagenstudie Harmony 3 belegt die hohe Innenraum- und Wohnfühl-Kompetenz von Bürstner. Die Reisemobil-Kompaktpalette wird im Jahr 2021 stark erweitert. Sowohl im Wohnmobil- (Nexxo Van) als auch im Wohnvan-Bereich (Copa, Campeo 4×4) wird die Bürstner Produktpalette um viele Baureihen erweitert. Bürstner investiert in eine neue Chasssis-Halle auf dem Gelände im Kehler Hafen. Das neue Produktionsband wird im selben Jahr noch in Betrieb genommen. Im Bereich alternativer Antriebe wird der erste Eliseo Erdgas Showcar vorgestellt. 2022 sorgt ein weiterer innovativer Showcar, der Lyseo Gallery mit aufblasbarem Alkoven für Furore, der 2023 mit zwei Grundrissen in Serie geht.
Neuaufstellung 2024

Im Jahr 2024 stellt sich Bürstner neu auf: Hubert Brandl übernimmt Vorsitz der Geschäftsführung und Bürstner stellt die bemerkenswerte Caravan-Studie Talis vor. Heute präsentiert Bürstner als Vollsortimenter eine umfangreiche Auswahl an Caravan- und Reisemobilen, die durch ihren Komfort, ihre Qualität und ihre innovative Ausstattung überzeugen. Vom kompletten Wohnwagenprogramm über die kleinen Urban Vans, über Campervans, Teilintegrierten bis hin zu Vollintegrierten der Luxusklasse bietet Bürstner ein breites Sortiment von Freizeit-Fahrzeugen. Acht Reisemobil-Baureihen, sieben Modellreihen Camper- und Wohnvans und zwei Wohnwagen-Baureihen sind 2025 im Programm. Im Jahr 2023 (Quelle CIVD) sind 1.037 Caravans und 3.194 Reisemobile von Bürstner in Deutschland neu zugelassen worden, was einem Marktanteil von 4,7 Prozent entspricht.
Sotto: Copa C, 2025; Lyseo Gallery, 2025